Gebet zu Beginn: Gott, wir sind hier. Und du bist da. Das reicht. Und so feiern wir Andacht im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.
Lied:
- Du meine Seele, singe, / wohlauf und singe schön / dem, welchem alle Dinge / zu Dienst und Willen stehn. / Ich will den Herren droben / hier preisen auf der Erd; / ich will ihn herzlich loben, / solang ich leben werd.
- Wohl dem, der einzig schauet / nach Jakobs Gott und Heil! / Wer dem sich anvertrauet, / der hat das beste Teil, / das höchste Gut erlesen, / den schönsten Schatz geliebt; / sein Herz und ganzes Wesen / bleibt ewig ungetrübt.
Lesung: Lukas 19,37-40:
„Und als Jesus schon nahe am Abhang des Ölbergs war, fing die ganze Menge der Jünger an, mit Freuden Gott zu loben mit lauter Stimme über alle Taten, die sie gesehen hatten, und sprachen: Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe! Und einige von den Pharisäern in der Menge sprachen zu ihm: Meister, weise doch deine Jünger zurecht! Er antwortete und sprach: Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.“
Eine besondere Geschichte vom Einzug in Jerusalem wird hier erzählt. Keine ausgetretene große Straße mit Palmzweigen, auf der Jesus nach Jerusalem kommt. Sondern ein Gang den Abhang des Ölberges hinab. Mal sicheren Schrittes. Und mal rutscht der Fuß in der Sandale ein bisschen weg.
Und als sie da so den Abhang herunter kommen, da fängt einer der Jünger an zu summen. Ein uraltes Lied. Eins, was ihnen schon vorgesungen wurde, da waren sie noch ganz klein. »Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe!« (Lk 19,38). Eine alte Verheißung. Ein Hoffnungslied. Einer summt und dann singen sie alle zusammen. Und dabei haben sie all das im Kopf, was sie mit Jesus erlebt haben: Sie denken an den blinden Bartimäus, der wieder sehen konnte. Die Verstummten, die auf einmal wieder sprachen. Die Geächteten, die mit am Tisch saßen. An Jesu Art zu predigen, wo man versteht: Gott ist mitten hier. Genau unter uns.
„Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe!“ Erwartungsfroh klingt das. Und es erinnert auch an den Gesang der Engel auf dem Feld in der Nacht, als Jesus geboren wurden: »Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens« (Lk 2,14). Aber die Jünger singen statt dem Frieden auf Erden nur noch vom Frieden im Himmel. Vielleicht schon ein Zeichen, dass sie eine leise Ahnung in sich tragen von dem, was in den kommenden Tagen noch alles passieren wird. Dass es mit dem Frieden unter den Menschen nicht weit her sein wird. Jesus hat ja manches angedeutet: Was in Jerusalem passieren wird, das wird wohl kein leichter Spaziergang. Das wird eher ein Gang am Abgrund.
Vielleicht singen die Jünger hier also auch ein bisschen gegen die eigene Ungewissheit an. Und gegen all das, was ihnen in den kommenden Tagen noch bevorsteht.
Singen in die Ungewissheit hinein. Kennen Sie solche Situationen? Ich musste ein bisschen nachdenken. Aber dann sind mir doch ein paar eingefallen:
Ich erinnere mich an die Nacht im April 2019, in der die Nachrichten auf dem Handy Bilder von der brennenden Kirche in Paris gezeigt haben. Helle Flammen aus Notre Dame in der dunklen Nacht. Es lodert. Die Menschen zieht es nach draußen. Schnell ist klar, dieses Feuer wird Vieles zerstören. Ein bisschen hilflos stehen sie auf den Straßen. Können nichts machen, als beten und warten. Und dann fängt eine kleine Gruppe an zu singen. Ave Maria. Die Frauen und Männer singen im Angesicht der Zerstörung ihrer Kirche ein Lied zu Ehren der Mutter Gottes.
Ich erinnere mich auch an das letzte Frühjahr, in dem so unübersichtlich war, in welche Richtung diese Pandemie gehen würde. Und es gab die Idee, abends um 18 Uhr „Der Mond ist aufgegangen“ zu singen. In Neumünster haben das nicht viele gemacht, aber im Haus gegenüber gab es eine Familie, die mit ihren vier Kindern über Wochen jeden Abend gesungen hat. Und die Nachbarn kamen raus zum Zuhören.
Ich denke an Sterbebetten, an denen gesungen wird. Manchmal mit zarter, manchmal mit fester Stimme. Und wenn jemand weinen muss, dann hält man einander an den Händen fest. Und dann singt wieder jemand weiter. Das Singen wischt die Ängste und die Sorgen nicht fort. Aber es zeigt ihnen eine Grenze auf. Dichter kommt ihr mir nicht.
»Meister, weise doch deine Jünger zurecht!«, sagen die Pharisäer zu Jesus. Sie scheinen unsicher gegenüber der Menge, die singt.
Jesus geht auf die Forderung gar nicht ein. »Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.« Ein rätselhafter Satz. Ich verstehe ihn so: Das, was aus den Jüngern singt, ist nicht tot zu kriegen. Das was in ihnen ist, es wird sich Bahn brechen. Und wenn es sein muss, werden Steine es schreien. Weil man Gott nicht aufhalten kann. Und wenn wir Menschen mundtot machen, die davon erzählen, dann wird er sich auf andere Art Raum greifen. Auch wenn sich das nicht sofort erfüllen wird.
Denn erstmal verstummt das Gotteslob schnell in Jerusalem. Wir kennen ja die Geschichte. Aus »Gelobt sei, der da kommt, im Namen des Herrn« wird schnell das »Kreuzige ihn!«. Aus dem Jubelruf wird bei den Jüngern ängstliches Flüstern. Auf Golgatha sing niemand mehr. Stattdessen rollen sie einen schweren Stein vor dem Grab.
Der ist nicht leicht wie eine Melodie, sondern kalt und schwer. Aber er wird zum Symbol für das, was Gott ins Rollen bringt.
Denn dieser Stein, die Stille, das Verstummen – all das hat nicht das letzte Wort. Gott lässt sich nicht aufhalten. Selbst als man nicht nur die Jünger, sondern auch Jesus selbst zum Verstummen gebracht hat.
Drei Tage später ertönt ein neues Lied, erst leise und dann immer lauter im Takt der Schritte der drei rennenden Frauen: Christ ist erstanden!
Gott wirkt weiter. Gott wirkt auch in unserem Leben, auch durch unsere Liedern . In denen, die wir hoffentlich auch bald wieder zusammen singen können. Und in denen, die wir im Moment alleine singen müssen oder im Alltag summen.
Und durch die Erfahrung mit Sterbenden habe ich auch verstanden: Gott hält manchmal durch unsere Lieder etwas in uns wach, wenn sonst alles verschwimmt. Wenn wir alt sind und müde von allem. Und vielleicht schon ein bisschen vergessen haben, wer wir sind. Dann bleiben da manchmal Melodien im Kopf und im Herzen. Und Sätze mit Worten, die tragen.
Gott kann unsere Seelen singen lassen. Und wir werden auch irgendwann wieder zusammen singen können:
Befiehl du deine Wege. Christ ist erstanden. Du, meine Seele singe! Amen.
Lied: Wenn Sie mögen, singen oder summen Sie Ihr Lieblingslied. Einfach für sich. Und für Gott.
Segen:
+ Gott segne dich und Gott behüte dich. Gott lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Und Gott erhebe das Angesicht auf dich und gebe dir Frieden. Amen +
Bleiben Sie behütet!
Ihre Pastorin Friederike Magaard
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